Status

In Unternehmen geht es wie in der gesamten Gesellschaft immer auch um Status. Setzt sich der gesellschaftliche Status aus vielen Elementen zusammen und ist höchst subjektiv, wird in Unternehmen oft versucht zu formalisieren und zu objektivieren. Mit allzuoft negativen Folgen für Motivation und Teamgeist.

Welchen Status hast du in der Gesellschaft? Das ist nicht definiert. Zum Glück. Es kommt vielleicht auf deinen Beruf an, auf deine Familie, auf dein Verhalten, auf Vereinsmitgliedschaften, auf den Freundeskreis und vieles mehr. Und es liegt im Auge des Betrachters. In unseren Unternehmen hingegen soll dein Status auf einer Visitenkarte ablesbar sein? Wrong Turn.

Status ist nicht allen Mitarbeitern gleich wichtig. Es gibt die Mitarbeiter, denen es völlig egal ist, ob oder welchen Status sie „offiziell“ verpasst bekommen und es gibt Mitarbeiter, für die Anerkennung und Sichtbarkeit per formalem Status wichtig sind.

Oft ist der offiziell vergebene Status in Unternehmen an eine Jobfamilie geknüpft. So sitzt neben dir vielleicht ein Senior Software Developer oder ein Junior Database Developer oder ein Key Account Manager oder oder oder. Der Kreativität sind jedenfalls oft leider enge Grenzen gesetzt. Die Einstufung erfolgt oft durch den Vorgesetzten, der oft gar nicht mit dem Mitarbeiter ausreichend nah zusammenarbeitet.

Status

Komplett abschaffen? Vielleicht. Oder kreativ werden. Jetzt, in meiner Elternzeit, habe ich ein wenig Zeit für Dinge, die sonst auf der Strecke bleiben. Und so setzte ich mich für ein paar Runden Civilization an den Rechner, einem rundenbasierten Strategiespiel, welches mich inspirierte. Ich stellte fest, dass die Einheiten in diesem Spiel vielfältiger beschrieben werden als Kollegen im Job. Wahnsinn, oder? Anstatt jedem Mitarbeiter ein Status zu verpassen „du bist Senior Data Scientist“, können wir der Vielfältigkeit Rechnung tragen und verschiedene „Beförderungen“ kombinieren. Diese können neben fachlichen Aspekten auch weitere Kategorien bedienen. Es gibt nicht mehr den einen Jobtitel und genau die eine Karrierestufe. Der Mitarbeiter entwickelt ein individuelles Rollenportfolio aus. Für seine Stärken bekommt er „Items“ (z. B. „Beförderungen“ so wie es im Spiel heißt, aber der Kreativität seien keine Grenzen gesetzt!). Vielleicht ein Goldabzeichen Datenbankentwicklung und ein Silberabzeichen Projektmanagement. Oder 3 Sterne Plakette C#-Entwicklung oder JavaScript-Kenntnisse oder eben für Kundenkommunikation, Projekterfolge, oder vieles mehr. Die Palette an Items kann sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Wie auch immer, wichtig ist noch, dass diese Items nicht von einem Vorgesetzten, sondern durch die unmittelbaren Kollegen vergeben werden, welche die Vergabe auch vertreten können.

So bleibt eine Anerkennung durch Status erhalten, ist sichtbar. Gleichzeitig gibt es keine glatte Rangfolge mehr (Junior, Senior, …). Die Vergabe erfolgt durch Mitarbeiter, nicht mehr durch Vorgesetzte. Die Stärken oder Erfolge der Mitarbeiter können in Mitarbeiter-Profilen sichtbar gemacht werden, Kompetenzen sind so vielleicht auch leichter auffindbar.

Verrückte Idee? Gibt es schon? Spannender Ansatz? Oder nur das alte System neu verpackt? Baut diese Art von Status Barrieren auf und steht einer engen Zusammenarbeit auf Augenhöhe im Wege? Oder kann die differenzierte Beförderung die Zusammenarbeit sogar fördern? Ich bin gespannt auf eure Meinung.

Mit lokaler Erfahrung zu besseren gemeinsamen Lösungen

In unserer Marktwirtschaft suchen viele Unternehmen ihr Glück, einige haben Erfolg, andere weniger. Doch welche Unternehmen bestehen und welche verschwinden vielleicht wieder? Und warum? Das kann man, wenn überhaupt, immer erst im Rückblick erkennen. Zu viele Umstände spielen eine Rolle, als das man das vorab wissen könnte. Wenn es anders wäre, dann gäbe es keine Börsen, an denen Spekulanten die neuen Stars zu finden versuchen und dabei auch oft genug scheitern.

Viele einzelne Unternehmen entstehen, konkurrieren, machen Dinge anders, setzen sich durch, halten mit oder gehen unter. Der Markt bereinigt sich von selbst und lässt die Unternehmen über, die zur Zeit funktionieren. Dabei weiß „der Markt“ vorher nicht, welche Unternehmen das sein werden. Wieso nutzen wir das Konzept nicht auch im Unternehmen?

Anstatt jedoch Unternehmen zu gründen, können wir in unseren Unternehmen Teams bilden, die cross-funktional besetzt, autonom und selbstorganisiert arbeiten. Diese Mini-Unternehmen versuchen ihr Glück am Markt, können erfolgreich sein und dürfen auch scheitern. Bei Misserfolg kann das Team zurückblicken und versuchen die Gründe auszumachen und zu lernen. Egal, ob erfolgreich oder nicht. Die Erfahrungen kommen dem Unternehmen zugute. Anstatt zentral eine einzige Lösung zu entwickeln und alles auf eine Karte zu setzen, gehen dezentrale Teams verschiedene Wege.

Es gibt jedoch einen wichtigen Unterschied zum Markt. Im Unternehmen selbst stehen die Teams nicht in Konkurrenz! Im Unternehmen gilt es Marktmechanismen auszuschalten. Die Teams kooperieren bei Bedarf. Es werden aber keine Leistungen verrechnet, das ist in der Regel Verschwendung. Scheitern Teams am Markt (warum auch immer), wird den Mitarbeitern nicht die Tür gezeigt. Sie nehmen ihre Erfahrungen mit, verstärken andere Teams oder treten erneut an.

Aus den vielen Erfahrungen der einzelnen lokalen Einheiten, lassen sich Erkenntnisse gewinnen über Dinge, die funktionieren. Eine Art der Organisation, eine Dienstleistung, die am Markt einschlägt, eine Technologie, die man vorher noch nicht ausprobiert hatte, … Alles das kann man teilen und in gemeinsamen Lösungen wiederverwenden.

Eine Ausnahme in die Organisation werfen: Das Wertschöpfungslabor

Wenn man erst einmal in eingefahrenen Prozessen steckt, sich eine Aufbauorganisation etabliert hat und man sich mit Technologien vertraut gemacht hat, ist es gar nicht so einfach mal neue Wege zu gehen. Im heutigen Marktumfeld ist genau das aber manchmal nötig, um im System Wirtschaft zu überleben. Unternehmen werden heute immer öfter mit neuen Trends und Themen sowohl technischer als auch organisatorischer Art konfrontiert. Hype, vergängliche Modeerscheinung oder setzt sich eine Innovation durch? Diese Frage stellt sich hin und wieder. Und da bekanntlich keiner in die Zukunft blicken kann, helfen nur Experimente.

In größeren Unternehmen sind Experimente nicht mit der gesamten Organisation möglich. Das dauert zu lange und das Risiko ist viel zu hoch. Der ganze Aufwand! Und dann war es doch nur ein Hype? Die Antwort sind Wertschöpfungslabore. Anstatt große Teile des Unternehmens aufzuwirbeln, stellt man die Organisation, Prozesse und Technologien nur in einem abgegrenzten Rahmen um, dem Wertschöpfungslabor. Dieses wird vom Management als Ausnahme deklariert. Das Wertschöpfungslabor arbeitet im Gegensatz zu Forschungslaboren von Anfang an unter Realbedingungen. Echte Kunden, echtes Feedback, echter Termindruck, Betrachtung der Wirtschaftlichkeit, … Dafür ist das Wertschöpfungslabor während des Experiments geschützt, d. h. die Mitarbeiter fokussieren sich auf ihr Ziel. Von außen ist das Wertschöpfungslabor transparent, jeder kann sich mit den Mitarbeitern austauschen. Auch Erfolg oder Misserfolg sind transparent. Bei Misserfolg wird das Labor geschlossen, aber Lehren für die Zukunft gezogen. Bei Erfolg provoziert es andere es ihm gleich zu tun, dann lassen sich die organisatorischen oder technischen Innovationen vielleicht auch in anderen Bereichen einsetzen.

Wir haben es einmal ausprobiert und berichten von unseren Erfahrungen auf dem Agile Monday am 02.11.2015, 18:45 – 21:00 im Schienenbeet – Kulturbahnhof Kassel!

Engpass und Selbstorganisation erfahren

Eigentlich wollte ich es bei einem Artikel mit Bezug zu privater Brennholzproduktion belassen. Emprace Change, hier ist ein weiterer.

Bevor der Winter kommt (sorry, ja ich hoffe selbst auch noch auf einige herrlich warme Spätsommertage!), muss das Brennholzlager aufgefüllt sein. Das Ziel war schnell klar und simpel: Zwei Wagen voll mit Brennholz-Scheiten mussten abgeladen und in einen Holzschuppen eingelagert werden. Das Team bestand neben mir aus drei weiteren mit Handschuhen bestückten Tatkräftigen. Ressourcen-Einsatz: drei Schubkarren. Also, Ärmel hochkrempeln und los geht’s. Eine wunderbare Arbeit, um abzuschalten – aber auch, um über Engpasstheorie und Selbstorganisation zu reflektieren.

Der Winter kann kommen
Der Winter kann kommen

Obwohl das Problem eher wenig mit Komplexität zu tun hat, gab es keinen Plan oder Soll-Prozess. Wir haben einfach begonnen. Drei von uns füllten die Schubkarren mit Holz, einer fuhr sie zum Ziel und lud sie ab. Das erschien allen das beste Vorgehen zu sein. Das Entladen ging wesentlich schneller als das Beladen, das System lief rund. Konnten die Holzscheite zu Beginn einfach in das Lager abgekippt werden, änderte sich dies im Laufe der Zeit. Das Brennholz musste nun abgeworfen werden, was viel mehr Zeit in Anspruch nahm.

Es entstand plötzlich ein Engpass. Schubladen waren voll und bereit zum Abtransport, wurden aber nicht abgeholt. Um den Engpass zu beseitigen, begann einer von uns nicht mehr nur Schubkarren zu beladen sondern fuhr diese auch zum Lagerraum. Als dadurch der Engpass noch immer nicht beseitigt werden konnte, half er zudem noch beim Entladen. Das System war wieder im Einklang.

Klingt logisch und hätte vermutlich jedes beliebige 4er-Team so gelöst. Für mich war es ein lebhaftes Beispiel für Selbstorganisation. Es gab keinen Chef, keinen Prozess, keine Steuerung. Es gab ein sinnvolles Ziel (sorry, ja irgendwann wird es kalt) und ein Team, welches sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst organisiert hat.

Von Management-Regeln

Führungskräfte beobachten. Soweit ist alles okay, schließlich beobachten auch alle anderen. Was Führungskräfte aber noch tun: Sie erfinden und verabschieden auf Basis der Beobachtungen Regeln und Prozesse. Wo liegt das Problem?

Da gibt es sicher mehr als ein Problem. Ich möchte hier nur einen Aspekt anschneiden. Beobachtungen basieren meist auf einzelnen Fällen, die verabschiedeten Regeln und Prozesse werden hingegen pauschal in die Organisation gedrückt. Sie sollen für alle Mitarbeiter gelten, so individuell diese und ihr Kontext auch sein mögen.

Auf Management-Ebene wird zuerst einige Zeit in die Ausgestaltung und Verabschiedung der neuen Regeln investiert. Danach wird noch einmal auf breiter Front in der Organisation über Sinn und Unsinn des neuen Regelwerks diskutiert. Bei genauerem Hinsehen stellt man auf einmal fest, dass die meisten gar nicht betroffen sind, es sich schlicht nichts ändert. Für sie ist die Regel also soundso überflüssig. Andere stellen fest, dass die neue Regel so nun überhaupt nicht passt oder sich gar kontraproduktiv auswirkt. Macht ja nichts, für sie wird die Regel eben wieder geändert oder aufgeweicht. Besser noch: es werden individuelle Ausnahmen definiert.

In den meisten Fällen dürfte gelten: Es wurde viel Zeit für nichts aufgebracht. Schlimmer noch: Da Organisationen komplexe soziale Systeme sind, stehen die Chancen gut, dass die neuen Regeln das Verhalten nicht so ändern wie erwartet. Neue Regeln müssen her…

Ist die Zeit da besser investiert der Frage nachzugehen, warum neue Regeln nötig erscheinen? Besteht überhaupt Handlungsbedarf? Welche Ursachen können wir für das beobachtete Verhalten finden? Und was sagen diese über das System aus?