Simpel investieren mit ETFs

André kennt man noch aus den Tagen, an denen er ungläubig und hektisch kopfschwenkend zwischen Webbrowser und E-Mails hin und her wechselte. Jetzt ist sie vorbei, die Zeit, in der er sich täglich fragte, wozu er das gerade eigentlich macht. Für eine Antwort hatte er im Hamsterrad auch gar keine Zeit.

Heute lässt André das Treiben des Pariser Stadtviertels Saint-Germain-des-Prés, die Gedanken schweifend, an sich vorbeiziehen. Er nimmt gerade eine Auszeit vom „Job“, in dem er sonst noch halbtags unterwegs ist. In der gewonnen Zeit nimmt André sich seiner Hobbys an oder tüftelt für ihn sinnvolle Projektideen aus.

Andrés Altersvorsorge ist übrigens auch schon in trockenen Tüchern, nachdem seine Aktien von Facebook, Apple, Google (später Alphabet), Nvidia, Netflix, Microsoft und Amazon durchstarteten.

Glück ist nicht kopierbar

Na, wer von euch hat sich vor 10 Jahren nennenswert an den oben genannten Unternehmen beteiligt und diese bis heute gehalten? Okay. Das wäre ja auch Zufall, nicht?

So ist es! Rückblickend war es doch klar, dass Google immer mehr Geld mit Werbeanzeigen verdient, Apple immer mehr und teurere iPhones verkauft, die Fernbedienungen alle einen Netflix-Knopf bekommen usw. Aber die Zukunft, die ist eben ungewiss. Damals wie heute.

Die Story oben von André ist ein schönes Beispiel des Survivorship Bias. Erfolgsgeschichten sind präsent. Sie werden erzählt. Warum habe ich nicht von einem der vielen Hobbybörsianern geschrieben, der sein Geld versenkt hat?

Sorry, versenkt ist es ja gar nicht. André zahlt gerade seinen un double damit.

Die Probleme mit dem Aktienmarkt

Der Artikel Wie viel sollte ich in Aktien investieren liefert gute Gründe für Aktien und beschäftigt sich mit der Frage, welchen Anteil am Ersparten man ins Risiko entsenden sollte. Hat man das Risikomaß für sich gefunden, steht man vor dem Problem der Aktienauswahl. André fragen ist nicht. Den gibt es so nur in diesem Artikel. Börsenzeitschriften oder Bankberater helfen auch nicht weiter. Professionelle Fondsmanager sind teuer und schneiden in der Mehrzahl deutlich schlechter ab als der Durchschnitt.

Selbst wenn es einem gelingen könnte, eine Auswahl an vermeintlich zukünftig florierenden Unternehmen zu finden, bekommt man es mit dem Problem des Market-Timing zu tun. Wann sollte man die Aktien dieser Unternehmen kaufen? Und wann muss man wieder verkaufen? Eine Erfolgsstory hält nicht ewig. Zumindest wird dies immer unwahrscheinlicher. Oder liest Du den Artikel gerade auf Deinem neuen Nokia Communicator?

Meist steigt man viel zu spät in eine schon teure Aktie ein und viel zu früh wieder aus. Oder man hält bis zum bitteren Ende an einem Unternehmen fest, welches schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Dass wir nicht ausreichend zuverlässig wissen können, wann welche Aktien stiegen oder fallen, belegen Statistiken von häufig handelnden Akteuren: Rund 95% der „Trader“ verlieren unter dem Strich Geld.

Du solltest den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge nicht dem Zufall überlassen. Was stattdessen?

Einfach mal nicht entscheiden

Frei nach dem Motto einfache Lösungen sind gute Lösungen, versuchen wir zunächst das Problem des Market-Timing zu lösen, indem wir uns nicht für einen Zeitpunkt entscheiden. Wir kaufen einfach regelmäßig und investieren so strukturiert und konsequent in den Aktienmarkt. Wenn wir sowieso nicht wissen, wann es günstig oder mies ist, Aktien zu kaufen, kaufen wir einfach regelmäßig.

Mit dem Problem der Aktienauswahl gehen wir ähnlich um. Wir lösen das Problem, indem wir nicht entscheiden, welche Aktie wir kaufen. Wir kaufen einfach alle. Rückblickend also nicht nur Nokia, sondern auch Apple. Nicht nur Adidas, sondern auch Nike. Nicht nur AMD, auch Intel. Nicht nur bekannte, sondern auch unbekannte: Iberdrola, der spanische Versorger, Kobe Steel aus Japan, Israel Chemicals bis hin zum australischen Hotelbetreiber Crown Resorts.

Gut, aber teuer und unpraktisch

Okay, die Lösung hat noch einen Haken, wenn man bedenkt, dass sich der Kauf von Aktien einzelner Unternehmen aufgrund der Handelsgebühren erst ab zwei- bis dreitausend Euro lohnt. Allein, wenn Du in die 30 DAX-Unternehmen investieren willst, wären das über 60.000 Euro.

Damit Privatanleger verhältnismäßig kleine Anlagesummen über eine Vielzahl von Unternehmen streuen können, gibt es Aktienfonds. Die Aktienfonds sammeln das Geld der Anleger ein und kaufen dann von den hübschen Summen Einzelaktien. Die Auswahl, welche Aktien gekauft werden, entscheidet das Fonds-Management, also Profis.

Das wirft gleich drei Probleme auf: Zunächst verlagert das die Frage der Aktienauswahl auf die Auswahl des Fonds-Managements. Fondsanbieter gibt es viele. Wem traust Du Dein Geld an? Zweitens arbeiten das Fonds-Management und das Vertriebsnetz nicht kostenlos. Diese Kosten werden in Form von laufenden Gebühren an die Kunde weitergegeben. Und drittens zeigen Statistiken eindrucksvoll, dass sich diese Kosten nicht lohnen: Deutlich über die Hälfte (teils über 80%!) aller Aktienfonds schneiden schlechter ab als der Durchschnitt (Quelle: https://us.spindices.com/spiva/#/reports).

„Tun Sie nichts, stehen Sie einfach nur da“

Der Satz stammt vom Erfinder der Indexfonds John „Jack“ Bogle. Das ist das Gegenteil von dem, was uns die Finanzindustrie rät und widerspricht unseren Vorstellungen von erfolgreichem Verhalten.

Ein Aktienindex beinhaltet in der Regel die größten börsennotierten Unternehmen eines Marktes. So sind im Deutschen Aktienindex DAX etwa 30 Schwergewichte der Deutschen Wirtschaft enthalten, von A wie Adidas bis W wie Wirecard.

Ein Indexfonds enthält nun einfach alle Aktien des Index. Dafür braucht es keinen Fonds-Manager. Die Gebühren für Indexfonds liegen bei einem Bruchteil aktiv verwalteter Aktienfonds. Das ist bares Geld, was Du dir sparen bzw. investieren kannst. Denn die Gebühren werden dem Fondsvermögen entzogen und mindern so Deine Rendite langfristig beträchtlich, wie im Artikel Unsere Fehler bei der Altersvorsorge verdeutlicht.

Als Privatanleger kannst Du Dich mittels börsengehandelter Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETFs) relativ einfach und kostengünstig weltweit an einer Vielzahl von Unternehmen beteiligen. Dank John Bogle, dem Erfinder des Indexfonds.

Strukturiert investieren in 6 Schritten

Eine der einfachsten Möglichkeiten Deinen eigenen langfristigen Vermögensaufbau kostengünstig zu betrieben, möchte ich in diesem Ansatz vorstellen. Ein Rezept, ein Step by Step – Vorgehen.

  1. Die Investitionsrate festlegen
    Finde den für Dich sinnvollen und leistbaren Betrag, den Du monatlich in den Vermögensaufbau stecken kannst bzw. möchtest.
    Beispiel: 250 Euro
  2. Den Aktienanteil bestimmen
    Wie im Artikel Wie viel sollte ich in Aktien investieren thematisiert, sollten der angestrebte Zeithorizont und die persönliche Risikotragfähigkeit eine Rolle bei der Höhe Deines Aktienanteils spielen.
    Beispiel: 60%
  3. ETF wählen
    Es gibt tausende von ETFs. Das Thema ETF-Auswahl oder Zusammenstellung eines ETF-Portfolios würde diesen Artikel sprengen. Gerade zu Beginn reicht ein einziger ETF, der weltweit investiert, vollkommen aus. Im nächsten Abschnitt sind zwei geeignete ETFs genannt.
    Beispiel: MSCI All Countries World Index ETF
  4. Ein Depot eröffnen
    Falls Du nicht schon ein Wertpapierdepot besitzt, musst Du für den Kauf von Fonds-Anteilen am besten eins bei einer kostengünstigen Onlinebank bzw. -Broker eröffnen. Der Wettbewerb sorgt für gute Konditionen, die Auswahl des Anbieters ist nicht entscheidend für den Anlageerfolg.
    Hier gibt es kein Beispiel, ich bin unabhängig, keine Schleichwerbung…
  5. Per Sparplan regelmäßig kaufen
    Den Teil des Sparbetrags, der in den Aktienmarkt fließen und so langfristig für die Rendite sorgen soll, kannst du am besten per Sparplan in den ETF investieren. Die Automatisierung hat gleich mehrere Vorteile. Du vergisst keinen Kauf, musst dich nicht darum kümmern und gleichzeitig schaltest Du Deine Emotionen aus.
    Beispiel: Zum 1. eines jeden Monats 150 Euro Kauf MSCI All Countries World Index ETF (100 Euro verbleiben auf einem Tagesgeldkonto).
  6. Einmal jährlich ausbalancieren
    Der im Fachjargon auch Rebalancing genannte Ausgleich von risikoarmen Anteil und Risiko-Anteil sorgt dafür, dass das einmal gewählte Risikomaß im Zielkorridor bleibt und sich nicht über die Zeit verschiebt.
    Beispiel: Durch Kurssteigerungen der Aktien stecken 7.200 Euro im ETF, 2.800 Euro liegen auf dem Tagesgeldkonto -> Der Risiko-Anteil soll von 72% wieder auf 60% reduziert werden -> der Verkauf von ETF-Anteilen im Wert von 1.200 Euro führt zu der für dieses Beispiel gewählten 60/40 Balance => 6.000 Euro ETF-Anteile / 4.000 Euro Tagesgeld.

Weltweit investierende Exchange Traded Funds (ETFs)

Zwei der größten Indexanbieter sind MSCI und FTSE. Diese Unternehmen stellen Aktienindizes zur Verfügung, auf denen viele ETFs basieren. Im einfachsten Fall kann mit nur einem einzigen ETF in die weltweiten Aktienmärkte investiert werden. Zwei Beispiele:

Vanguard FTSE All-World UCITS ETF

Vanguard ist der Produktanbieter. FTSE ist der Indexanbieter. Der ETF investiert in Industrie- und Schwellenländer weltweit, von Kanada bis Neuseeland.

iShares MSCI ACWI UCITS ETF (Acc)

iSahres ist eine Marke von Blackrock. Der ETF basiert auf dem All-Countries World-Index von MSCI und investiert ebenfalls weltweit in Industrie- und Schwellenländer.

Beide Indizes, also der FTSE All World als auch der MSCI All-Countries World, gewichten die „entwickelten“ Märkte (Nordamerika/Kanada, Westeuropa, Japan, …) mit fast 90% wesentlich höher als die Schwellenländer (China, Indien, Südamerika, Osteuropa, …).

Für das Anlageergebnis ist es fast unerheblich, für welchen ETF man sich entscheidet. Im Unterschied zum iShares-ETF schüttet das Pendant von Vanguard Erträge, die durch Dividendenzahlungen der Unternehmen entstehen, vierteljährlich aus. iShares akkumuliert diese, das heißt die Erträge aus Dividendenzahlungen werden umgehend wieder reinvestiert.

Fazit

Vermögensaufbau muss nicht kompliziert sein. Eine simple Anlagestrategie, ein weltweit investierender, börsengehandelter Indexfonds (ETF) und ein Sparplan reichen aus.

Die Podcast-Episode zum Artikel

Reflect-ion
Reflect-ion
Folge 17: Simpel investieren mit ETFs: Interview mit dem Finanzwesir Albert Warnecke
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Die oben angegebenen Produkte sind Beispiele und keine konkreten Anlageempfehlungen. Renditen und Kursverläufe der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Entwicklungen. Kursverluste und zwischenzeitliche Rückschläge gehören beim Vermögensaufbau mittels des Aktienmarkts dazu.


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