Reflect-Ion
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Aber von welcher Krise wird da gesprochen? Wo hat sie sich versteckt, die Krise? Wie sieht sie aus? Wie groß ist sie? Und wie wird sie sich verhalten, wenn sie erstmal aus der Deckung kommt? Ist da vielleicht doch gar keine Krise? Oder brauchen wir sogar eine Krise?
Ich meine keine Abkühlung der Weltwirtschaft, eine kleine Konjunkturdelle oder Rezession, sondern eine ausgewachsene Wirtschaftskrise mit weltweiten Verwerfungen und einem Börsenbeben.
Nun bin ich kein Hellseher und muss euch sofort enttäuschen: ich weiß es nicht! „Crashprophten“ oder Berufspessimisten gab es ja schon immer, und es gibt sie auch heute. Es folgt immer dem gleichen Muster: Mehr oder weniger prominente Analysten, Fonds-Manager, Autoren, Journalisten, Politiker, etc. rufen den nächsten Crash herbei. „Der Crash kommt!“, „Der Crash ist da!“, usw. heißt es dann. Und tatsächlich, irgendwann weht er uns mit mehr oder weniger Wucht um die Ohren. Und die Hellseher, die kurz vorher am öffentlichkeitswirksamsten in Erscheinung getreten sind, schaffen es dann auf die Titelblätter der Medien. Hat er oder sie es doch gewusst!
Dass sie oder er schon seit sieben Jahren vor einer Krise warnt, spielt dann keine Rolle mehr. Aber irgendwas ist auch immer dran, an dem, was da so postuliert wird. Und daher wäre es auch falsch, die Warnungen zu ignorieren.
Wie können wir nun wissen, wann eine Krisensituation eintritt und wie sich diese entwickelt? Ich behaupte: das geht nicht. Es ist schwierig bis unmöglich den Zeitpunkt der nächsten Krise zu finden und noch weniger den Verlauf einer solchen vorherzusagen. Würden wir das können, dann gäbe es keine Krisen. Wir müssten nur Maßnahmen durchplanen und umsetzen, um alles im Lot zu halten. Bei einem so komplexen System wie der Weltwirtschaft, ist das auf Dauer nicht möglich.
Zudem definiert sich eine Krise durch einen Wendepunkt, der in den meisten Fällen erst nach der Krise als solcher erkannt wird. Tatsachen, die heute bekannt sind, führen in der Regel (bleiben sie unverändert) zu keinem Crash. Mit anderen Worten: ein Crash wird durch ein heute noch unbekanntes Ereignis ausgelöst.
Ein Beispiel. Hätten die Kunden vor der Lehman Brothers-Insolvenz und der sich anschließenden „Finanzkrise“ gewusst, was da mit den Verbriefungen fauler Immobiliendarlehen vor sich geht und zu was das führen würde, hätten sich diese nicht mehr verkauft. Die Krise hätte nicht ein so großes Ausmaß angenommen.
Trotz meiner Überzeugung, dass ein Crash nicht vorhersehbar eintritt, gibt es Anzeichen und Rahmenbedingungen, die eine Krise wahrscheinlicher machen. Nach dem Motto: So geht es nicht weiter, das muss knallen! Und dann reicht meist ein kleiner Auslöser, der den Stein ins Rollen bringt. Nur wann der Auslöser zündet und welcher genau, das wird man erst im Rückblick ausfindig machen und beschreiben können.
Ich bleibe zunächst mal in Europa. Dass ich mich hier auf Europa beschränke, heißt nicht, dass ich alles überblicken könnte, was hier auf unserem Kontinent passiert. Wer kann das schon? Aber weltweit kann ich es noch viel weniger.
Eine Rahmenbedingung in weiten Teilen des europäischen Wirtschaftsraums ist der Euro. Ich glaube, dass uns die Konstruktion und Installation des Euro-Währungssystems zwangsläufig in eine ausgewachsene Krise führen muss. Das ist eine steile These, mit der ich aber auch nicht alleine dastehe. Das meine ich nicht politisch, ich meine hier tatsächlich die Währung, nicht die Idee der europäischen Integration.
Sollte uns der Euro (in seiner jetzigen Form) um die Ohren fliegen, was ich für wahrscheinlicher halte als das Überleben dieser Währung, wird man schnell Schuldige ausfindig machen und anprangern: Politiker(innen), Notenbanker(-innen) und Finanzhaie. Dabei verhalten sich diese nur rational und nicht zu ihrem Nachteil im bestehenden System.
Unsere heutigen Probleme in der Eurozone wurden nicht etwa verursacht durch die Sub Prime-Krise am US-Immobilienmarkt 2017 / 2018, sondern zum großen Teil durch die Fehlkonstruktion des Euro. Die mit Hilfe der Rating-Agenturen gut verpackten faulen Kredite waren die Auslöser, die die Probleme befeuert haben.
Mit dem Euro als Währung stülpen wir eine zentrale Steuerung über wirtschaftlich und kulturell heterogene Teilnehmerstaaten. Das führt langfristig zu immer größeren Ungleichgewichten, zu Über- und Untersteuerung. Die zentrale Geldpolitik passt nicht zu allen Staaten gleichermaßen gut und fehlende Wechselkurse erscheinen wie fehlende Ventile zwischen Gefäßen höchst unterschiedlichen Drucks, der seine Entladung sucht.
Die politischen Strukturen sind der Idee der zentralen Währung nicht gewachsen. Defizitquoten und Schuldenlimits, wie sie im Vertrag von Maastricht vereinbart wurden, werden reihenweise gebrochen. Warum denn auch nicht? Man könnte schon fast meinen, man wäre am Ende der Dumme, würde man es nicht auch übertreiben. Die Verschuldung der meisten Staaten steigt.
Die Folge ist, dass die Europäische Zentralbank sich gezwungen sieht, die Zinsen unter Null zu senken und Maßnahmen wie den Aufkauf von Staatsanleihen zu ergreifen. Das wiederum enteignet den soliden Sparer, der dachte, sein Geld sei auf dem guten alten Sparbuch sicher und torpediert so manche Altersvorsorge.
Die Nullzinsen machen das klassische Geschäftsmodell der Banken kaputt. Denn dieses basiert, vereinfacht gesagt, auf der Differenz der Zinssätze für Einlagen und Kredite. Die Bank gibt also ein Immobiliendarlehen für, sagen wir mal 5%, an einen Häuslebauer und gibt dem Sparer per Sparbuch nur 2%. Ein gutes Geschäft für die Bank, aber Sparer und Hausbesitzer waren auch nicht unglücklich. Heute geben Banken Immobiliendarlehen mit 0,x% aus und zahlen ihrerseits Strafzinsen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Noch zehren Banken von den Altverträgen.
Zombie-Unternehmen, das sind Unternehmen, die sich nur dadurch über Wasser halten können, weil neues Geld nichts mehr kostet. So können sich defizitäre Geschäftsmodelle oder ineffiziente Organisationen noch über Wasser halten, die unter „normalen“ Zinsbedingungen schon in die Insolvenz geschlittert wären und ihren Platz hätten räumen müssen. In der nächsten Rezession, spätestens aber in der Krise, wird dann der Stecker gezogen. Kredite fallen aus, was den Banken zusätzlich zu schaffen macht.
Jetzt sind wir mit unseren Problemen in Europa nicht allein auf der Welt. Und Probleme gibt es einige. Wie immer eigentlich. So lange ich in der Lage bin Nachrichten zu konsumieren, höre, lese und sehe ich überall Probleme. Terrorismus, Konflikte und Stellvertreterkriege, Flüchtlingswellen, politische Instabilität, Wirtschafts- und Währungskrisen einzelner Staaten, Brexit, Ölkrisen, Börsencrashs, usw. So tragisch und traurig viele dieser aufgezählten Ereignisse sind, an der Weltordnung, wie wir sie heute kennen, also den großen etablieren Systemen (Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, …), veränderten sie wenig. Rückblickend sind sie Irritationen in einem System, dessen Motto folgendes ist: weiter, immer weiter.
Nein, ich will in diesem Artikel keine Diskussion über den Klimawandel führen. Es gibt genügend Daten, die die Auswirkungen der Industrialisierung auf den CO2-Gehalt und die Entwicklung der Temperatur unserer Erde beschreiben. Wir haben ein sich zuspitzendes Problem, welches die gesamte Menschheit betrifft (zunächst unterschiedlich stark) und das wir nur durch internationale Zusammenarbeit lösen können. Ich glaube nicht, dass Erfindungen bzw. technologische Innovationen allein ausreichen werden, um unsere Umweltprobleme nachhaltig zu lösen. Es braucht ebenso neue soziale Systeme und einen Wertewandel.
China ist auf dem Weg zur Weltmacht. Seit dem zweiten Weltkrieg gibt es nur eine Weltmacht, und das sind die USA. Jetzt macht ihr ein neuer Riese diesen Platz streitig. Und das gefällt den Amerikanern nicht. Ein paar Zölle sind da nur ein Vorspiel eines Konflikts, der das Potenzial hat, die Weltordnung zu verändern. „Kollateralschäden“, das klingt fast euphemistisch, miteingeschlossen.
Die Globalisierung hat, wie ja fast alles, positive und negative Gesichter. Wir haben sie mit hohem Tempo vorangetrieben und die Vorteile ausgenutzt, während längst nicht alles mitgewachsen ist. So sind die Wirtschaft, Banken und Finanzmärkte längst global, (Wirtschafts-) Politik, Regulierung, Steuersysteme etc. aber immer noch national. Um hier den nächsten Schritt zu gehen, müssen wir auch diese Systeme „globalisieren“, also international aufstellen. Wie schwierig sich das gestaltet, sehen wir – und das schließt den Kreis – allein schon in der EU.
Alles das, was ich hier beschreibe, ist ein Abbild dessen, was mir aktuell im Kopf herumschwirrt. Ich schreibe diesen Artikel ohne den Anspruch, hier ein vollständiges Bild der Situation beschreiben zu wollen und wohlwissend, dass ich nicht einschätzen kann, wann wir in der nächsten Krise landen, noch wie diese sich ausgestalten wird.
Für dich als Privatanleger wird es am Ende auch zweitrangig sein, was genau zur nächsten großen Krise führen wird und welche Bedingungen und Entwicklungen welchen Anteil daran haben werden. Wichtiger sind die Auswirkungen, die eine solche Krise auf deine finanzielle Situation haben kann und die Frage, ob und wie du dich vorbereiten kannst.
Darüber mache ich mir im folgenden Artikel Gedanken. Der ist aber noch nicht fertig. Wenn du künftig über neue Artikel und Podcast-Folgen informiert werden willst, abonniere einfach meinen Newsletter.
Im folgenden zweiten Teil beschreibe ich mögliche Krisenszenarien, die Auswirkungen auf unsere finanzielle Situation haben können. Ich werfe die Frage auf, ob das Anpassungen der individuellen Asset-Allocation haben sollte und wie verschiedene Vermögenswerte in den unterschiedlichen Szenarien möglicherweise reagieren werden.
So long, not short!
Podcast-Episode zum Artikel
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