Crash welcome – Vorbereitung auf das Unbekannte

In „Alle reden von der Krise“ behauptete ich, dass Finanzcrashs nicht oder nur sehr eingeschränkt vorhersehbar sind. Echte Krisensituationen sind per Definition nicht planbar, sonst wären es ja keine. Selbst eine offenkundige Schieflage, wie man die weltweite Verschuldung und Negativzinsen interpretieren könnte, sprechen nicht gleich automatisch für einen Crash des Finanzsystems. Ja auch dann nicht, wenn der Zusammenbruch vielleicht gar nicht mehr abgewendet werden kann.

In dem Artikel aus Oktober 2019 schreibe ich auch von Crash-Propheten, die im Jahresrhythmus Krisen vorhersehen, bis dann tatsächlich eine eintritt. Es weiß eben niemand so genau, wann eine Krise ausbricht und welchen Verlauf diese nimmt. In diesem zweite Teil gehe ich der Frage nach, ob man sein Anlageverhalten oder die Asset-Allocation auf Grund erhöhtem Krisenalarm ändern sollte.

Mögliche Szenarien

Nehmen wir an, es kommt zu einer ausgewachsenen Finanzkrise und in der Folge auch zu einer Weltwirtschaftskrise, bei der wir nicht mehr die Kurve kriegen wie noch nach der Lehman Brothers Pleite 2008. Dass also die Subprime-Krise nur der Vorbote des Endspiels für unser Finanzsystems war, das Halbfinale also, und wir uns die letzen zehn Jahre auf Pump „gekauft“ haben.

Was genau Auslöser der Krise sein wird, vermag ich nicht zu wetten. Dass die Krise von großer Unsicherheit, emotionalen und nicht rationalen Entscheidungen und Übertreibungen geprägt sein würde, ist jedoch sicher. Möglicherweise leidet im Zuge der Unsicherheit der Konsum, die Preise fallen (Deflation). Oder aber die Notenbanken verteilen Unmengen an frischem Geld an die Konsumenten, die daraufhin mehr konsumieren, die Preise steigen (Inflation). Oder der Staat greift per Gesetzgebung in die Eigentumsrechte ein (Enteignung). Vieles ist vorstellbar, auch eine Währungsreform.

Anhand dieser möglichen Szenarien versuche ich meine Eingangsfrage „Solltest du dein Anlageverhalten auf Grund erhöhtem Krisenalarm ändern?“ zu beleuchten.

Deflationsszenario

In „normalen“ Zeiten, jedenfalls nach aktueller Ansicht, verliert Geld Jahr für Jahr ein bißchen seines realen Werts. Das Inflationsziel der EZB liegt bei knapp 2%. 100 Euro sollen also nach einem Jahr ungefähr so viel wert sein wie heute 98 Euro. Eine „gesunde“ Inflation sorgt dafür, dass einmal erarbeitetes Geld entweder ausgegeben wird (Konsum) oder angelegt wird. Dann fließt es in normalerweise zinstragende Sparformen wie dem guten alten Sparbuch oder aber in Sachwerte wie Immobilien und Aktien. Mit der Anlage in Sachwerten will man den realen Wert erhalten (Erhalt der Kaufkraft) oder sogar steigern. Viele Investitionen werden zudem mit Fremdkapital unterstützt, um entweder überhaupt machbar zu sein oder einen Hebeleffekt zu nutzen (Leverage).

Das funktioniert solange bis der schwarze Schwanenhals aus dem Schilf herausragt. Nassim Taleb bezeichnet ein Ereignis, das nur höchst unwahrscheinlich eintritt, als Schwarzer Schwan. Ein Schock, der das Uhrwerk der globalen Finanzmärkte und der Weltwirtschaft aus dem Takt kommen lässt. Etwas, das, wie einst ein schwarzer Schwan, vorher nicht bekannt war, tritt auf den Plan. Daher gibt es hier jetzt auch kein Beispiel. Ich könnte ja nur etwas bereits bekanntes nennen.

In jedem Fall sorgt das Ereignis für eine Krisensituation, für Unsicherheit, für emotionale und nicht rationale Entscheidungen und Übertreibungen. Anleger verabschieden sich aus risikobehafteten Investments. Die Aktienbörsen fallen. Spekulanten, die Wertpapiere auf Kredit gekauft hatten, müssen verkaufen. Fremdfinanzierte Projekte geraten ins wanken. Der Konsum bricht ein. Die Wirtschaft leidet. Hoch verschuldete Unternehmen bekommen Probleme. Kredite fallen aus. Banken schreiben Kredite ab und vergeben immer weniger neue. Suchten bis vor kurzem alle noch nach neuen Investitionsmöglichkeiten, brauchen plötzlich alle Cash. Cash ist King. Der Verkaufsdruck sorgt dafür, dass die Preise auf breiter Front fallen. In der Erwartung weiter sinkender Preise üben Konsumenten anhaltend Kaufzurückhaltung. Die Arbeitslosigkeit steigt. Weitere Kredite fallen aus. Die ersten P2P-Plattformen schließen. Zombiunternehmen melden Insolvenz an. Kurzarbeit verunsichert Konsumenten weiter. Investitionen werden zurückgestellt. Der Teufelskreislauf ist im Gang.

In diesem Szenario wird Geld im Laufe der Zeit mehr wert. Klassische Sparer sind in dieser Zeit Gewinner. Bargeld und Spareinlagen gewinnen an Wert.

Schuldner sind Verlierer. Denn auch die Schulden steigen analog zu Bargeld im Wert. Die Einkommen sinken oder stagnieren. Die Schulden bleiben.

Sachwerte verlieren. Aktien und Immobilien werden billiger gehandelt, da die meisten Marktteilnehmer auf der Verkäuferseite stehen, um ihre Forderungen erfüllen zu können oder aus der Angst vor noch weiter fallenden Preisen verkaufen.

Inflationsszenario

Eine Deflationsspirale kann verheerende Folgen für weite Teile der Gesellschaft haben. Die letzte große globale Deflationsphase gab es in den frühen 1930er Jahren. Die Geldmenge sank, die Preise sanken, die Arbeitslosigkeit stieg massiv. Ein trauriges Kapitel der Geschichte folgte.

Aus den Fehlern damals hat man gelernt. Als 2008 nach der Lehman-Pleite die Finanzwelt im Chaos zu versinken drohte, sprach man sofort Garantien aus und handelte akut richtig, indem man den Geldhahn aufdrehte. Allerdings hat man vergessen ihn wieder zu schließen. Statt Reformen auf den Weg zubringen, suhlten wir uns im Geld der Notenbanken.

In einer erneuten Krisensituation würden die Notenbanken die „Bazooka“ auspacken müssen. Die Zinsen sind schon im Kellergeschoss, tiefer geht es nur noch mit Sprengstoff. Wenn die Märkte mit Geld überflutet werden, würden wir einer deutlich höheren Inflation wohl nicht mehr entkommen. Im Gegenteil zum Deflationsszenario würden die Preise gefühlt täglich steigen. Geldwerte würden so entwertet. Bargeld, das Girokonto, das Sparbuch, der Bausparvertrag, die Lebensversicherung, die Rentenversicherung, alles würde in Richtung der Wertlosigkeit zerfließen.

Sparer sind in dieser Zeit Verlierer. Bargeld und Spareinlagen verlieren ihren Wert. Schuldner sind (zumindest vorerst) Gewinner. Schulden verlieren schließlich gleichermaßen an Wert.

Sachwerte können ihren Wert schon eher halten. Im Gegensatz zu Geld sind sie nicht beliebig vermehrbar. Die hohe Inflation macht auch Unternehmen zu schaffen, sodass Aktien nicht unbedingt erste Wahl sind. Die Preise von Immobilien, Gold oder Kryptowährungen, alle nur langsam und nicht beliebig vermehrbar, steigen durch die Inflation.

Enteignung / Währungsreform

Wenn Staaten Geld brauchen, dann bekommen sie es. Politiker sind kreativ, wenn es darum geht, seinen Bürgern Geld abzunehmen. Artikel 14 unseres Grundgesetztes schützt zwar das Eigentum und das Erbrecht grundsätzlich. Dennoch gibt es eine Vielzahl an Varianten, wie der Staat Eigentümer direkt oder indirekt belasten kann. Mietpreisbremse, höhere Grundsteuern, Zwangshypotheken usw. zielen darauf ab, Eigentümern privater Immobilien in die Tasche zu greifen. Auch ein Verbot auf Goldbesitz gab es bereits. Gerade erst wurde der anonyme Erwerb von Gold auf 2.000 Euro limitiert. Den für die Bargeldaufbewahrung praktischen 500 Euro-Schein gibt es nicht mehr. Bei Kapitalerträgen könnte auch wieder beherzter zugegriffen werden und die Vermögenssteuer ist immer mal wieder Thema. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn alles Geld, was der Staat von der Mittelschicht einzieht, nicht ausreicht, um die Staatsschulden der Euroländer zu bedienen oder eine Wirtschaftskrise zu verhindern, dann steht die nächste Währungsreform vor der Tür. Wie diese genau gestaltet werden wird, weiß heute niemand. Jedenfalls ist es möglich, dass Guthaben in Euro mit einem anderen Wechselkurs in eine neue Währung umgerechnet werden wie Schulden. Jemand, der also 50.000 Euro in Form von Tagesgeld und einer privaten Rentenversicherung hält, gleichzeitig aber noch 50.000 Euro Immobiliendarlehen hat, dem könnten in neuer Währung 50.000 Einheiten Schulden beispielsweise 25.000 Einheiten Guthaben gegenüberstehen.

Sicher ist nur, dass nichts sicher ist

Was ist sicher in der Krise? So lautet oft die erste Frage. Es geht den meisten Menschen darum, wenigstens nicht so viel zu verlieren, wenn es kracht. Das Problem ist nur, dass sich diese Frage nicht beantworten lässt, wenn man an die oben geschilderten unterschiedlichen Szenarien denkt und nicht weiß, wie stark wann welches Szenario seinen Auftritt hat. Die folgenden Kommentare zu den verschiedenen Vermögensklassen haben lediglich den Anspruch festzustellen, dass, zumindest in rauen Zeiten, nichts sicher ist.

Euro-Banknoten

Euro-Banknoten, das einzige offizielle Zahlungsmittel in Deutschland, könnte man unter dem Kopfkissen, im Tresor oder Bankschließfach vor Negativzinsen oder einer Pleitewelle der Banken sichern. Ein Inflationsszenario würde aber am Wert nagen oder diesen im Extremfall nahezu vernichten.

Giralgeld oder auch Buchgeld

Das von Banken auf magische Weise geschöpfte Geld auf dem Girokonto ist letztlich nur eine Forderung gegenüber der Bank auf Bargeld. Es gibt aber weit mehr Buchgeld als Banknoten. Daher ist der Bankrun so gefürchtet: Wenn alle „ihr“ Geld abheben wollen, wird sichtbar, dass es dieses in Form von Banknoten gar nicht gibt. Zudem fällt es auch der Inflation zum Opfer und ist nicht vor möglichen Negativzinsen geschützt.

Anleihen, Lebensversicherungen, Rentenversicherungen

„Sichere“ Anleihen bringen keine Rendite mehr. Ähnlich wie Buchgeld verlieren sie bei Inflation realen Wert. Zudem ist der Besitzer einer Anleihe darauf angewiesen, dass der Schuldner zahlungsfähig bleibt. Ähnlich verhält es sich bei kapitalbildenden Versicherungen.

Aktien

Der Aktienmarkt kann im Krisenmodus in sich zusammensacken. Wenn Schuldner plötzlich Geld brauchen, verkaufen sie ihre Assets. Aktien sind schneller liquidiert als zum Beispiel Yachten oder Immobilien. Fallende Notierungen sorgen für weiteren Verkaufsdruck, eine Abwärtsspirale kommt in Gang und kann zu irrational tiefen Kursen führen.

Gold

Es gab Zeiten, in denen war der Privatbesitz von Gold verboten. In Deutschland zum Beispiel von 1923 bis 1955. Auch Zwangsabgaben auf das glänzende Metall sind denkbar. Wenn wir also bei dem Thema Enteignung angekommen sind, wird es möglicherweise vor der „Krisenwährung“ Gold keinen Halt machen.

Kryptogeld

Kryptogeld wie der Bitcoin könnten zu einem Zufluchtsort werden. Der Kauf ist sehr spekulativ und gerade in der Krise könnten die Kurse noch stärker schwanken. Zudem ist es schwer einzuschätzen, welches Kryptogeld nachgefragt sein wird, welchem also vertraut wird. Einzelne Konzepte wie der Bitcoin limitieren zwar die maximale Anzahl an Einheiten, die jemals existieren können. Es können aber beliebig viele Varianten von Kryptogeld erzeugt werden.

Immobilien

Wie der Name schon sagt, eine Immobilie kommt nicht vom Fleck. Und so ist sie den Greifarmen des Staates hilflos ausgeliefert. Auf den Immobilieneigentümer ist Verlass, wenn es darum geht ihn an den Folgen einer Wirtschaftskrise zu beteiligen. Nach der letzten Währungsreform (1948) lies der Staat in 1952 beispielsweise Zwangshypotheken in die Grundbücher eintragen, die 30 Jahre lang abzuzahlen waren.

Schulden

Man könnte meinen, in einer überschuldeten Welt sollte man selbst auch welche haben. Und so ganz falsch klingt das auch erstmal nicht. Solange eben keine Deflationsphase droht, in der Geld und somit auch Schulden an Wert zulegen oder durch Währungsreform Schulden zu einem ungünstigeren Kurs umgerechnet werden als Guthaben.

Derivate

Die Wunderwaffen. Mit Optionsscheinen, Knock-Out Papieren oder ähnliches lässt sich alles möglich absichern bzw. hebeln. Mit Put-Optionsscheinen kann man zum Beispiel auf fallende Kurse setzen, man wir also zum Gewinner in der Krise. Warren Buffett bezeichnete Derivate allerdings als Massenvernichtungswaffen. Das ist ein anderes Thema. Kennst du Leute, die mit Derivaten vermögend wurden? Ich nicht.

Keine Angst vor der Krise

Das hört sich alles ziemlich negativ an? Dann möchte ich mich mal von dem allzu negativen Image der Krise distanzieren. Krisen gab es schon immer und es wird sie vermutlich auch immer geben, solange es Menschen gibt. Krisen bedeuten auch immer Chancen. Etwas wird zerstört, etwas anderes entsteht: die Schöpferische Zerstörung.

Nehmen wir einmal an, Geld wird so gut wie wertlos. Die Nachfrage nach Gütern bricht ein. Die Arbeitslosigkeit steigt rasant. Die Aktienkurse liegen am Boden. Dann besteht die einzige Aufgabe darin, Radikalisierung und Krieg zu verhindern. Koste es, was es wolle.

Aber was bleibt? Das Wissen. Kreative Menschen. Ideen, vielleicht neu Ideen, die vorher keinen Platz hatten. Können. Bereits entwickelte Technologie. Maschinen. Das alles ist trotz Krise da und wird zu einer neuen, blühenden Wirtschaft führen.

Auf die mögliche Krise reagieren? Alles umschichten?

Angesichts einer drohenden Krise werden nicht wenige Markteilnehmer aktiv und versuchen sich entweder in Sicherheit zu bringen oder von einem Crash zu profitieren. Auch an letzterem finde ich nichts verwerflich. Und es kann gelingen.

Da aber weder der Zeitpunkt noch der Verlauf einer Finanzkrise einigermaßen zuverlässig prognostizierbar sind, geht man eine Wette ein und braucht eine Portion Glück, um am Ende besser dazustehen als der Durchschnitt. Der Kuchen lässt sich eben nur einmal verteilen.

Um gut vorbereitet zu sein, ist die Diversifikation des Vermögens über mehrere Asset-Klassen erste Wahl. Mit einem weltweit diversifizierten Aktienportfolio bist du an tausenden von Unternehmen beteiligt, die vor, während und nach der Krise nichts anderes versuchen als Wert zu schöpfen. Mit einer Portion Gold kannst du möglicherweise allzu starke Kurskapriolen der Aktien abfedern. Dazu ausreichend Cash, um eine Durststrecke besser zu überstehen oder flexibel Chancen zu nutzen, die sich gerade in Krisenzeiten immer wieder ergeben.

Die Asset-Allocation, also die Verteilung des liquiden Vermögens über die verschiedenen Anlageklassen hinweg, sollte in erster Linie von deiner persönlichen Situation bestimmt werden: von deiner Bereitschaft Risiken zu tragen und dem Zeithorizont der Investments. Wähle den für dich passenden Risiko-Anteil und halte ihn über die Zeit stabil. Änderungen der persönlichen Lebenssituation sollten Einfluss nehmen, nicht aber die Einschätzungen zur Wetterlage der Weltwirtschaft. Alles andere ist aktives Management und der Versuch besser zu sein als der Markt. Spekulation kann gelingen, muss aber nicht. In den meisten Fällen hängt man durch den Versuch, den Markt einzuschätzen und entsprechend zu handeln, der durchschnittlichen Marktrendite langfristig hinterher.

Fazit

Eintritt und Verlauf einer Finanz- und Wirtschaftskrise sind ungewiss und nicht planbar, sonst wäre es keine Krise. Einen Crash und dessen Verlauf trotzdem korrekt zu prognostizieren und zum eigenen Vorteil zu nutzen, kann mit etwas Glück gelingen. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich. Vielmehr solltest du durch eine individuell passende und gut diversifizierte Vermögensaufteilung stets so aufgestellt sein, dass du die nächste Krise ohne große Panik durchstehst.

Und zu guter Letzt: Optimistisch bleiben! Es braucht Krisen für die Weiterentwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Eingefahrene Systeme werden solange gefahren, bis nichts mehr geht. Manchmal braucht es den Kollaps für einen Reset. Aber auch danach wird es noch Unternehmertum geben und Organisationen, die Wert und Cashflow schaffen.

So long, not short!

Podcast-Episode zum Artikel

Reflect-ion
Reflect-ion
Folge 21: Crash welcome - Vorbereitung auf das Unbekannte?
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