Erfolg mit Quattro Stagioni

Quattro Stagioni statt Audi quattro. Der von mir geschätzte Autor Lars Vollmer lenkt den Blick weg von der Aktionärsrendite hin zu nachhaltigen Erfolgsfaktoren. Am Beispiel des Volkswagenkonzerns zeigt er in seinem Artikel in der Capital Winterkorn und das Erfolgs-Aus bei VW, dass in diesem Jahrhundert mehr zum Unternehmenserfolg gehört als der Aktienkurs. Als jemand, der einen guten Teil seiner Altersvorsorge auf Unternehmensbeteiligungen aufbaut, pflichte ich ihm bei, möchte aber zu dem Konzept der vier Jahreszeiten Fragen aufwerfen.

Die vier Jahreszeiten des Unternehmenserfolgs nach Vollmer

Lars nennt die folgenden vier gleichwertigen Faktoren, die echten Unternehmenserfolg heute ausmachen. Wie das bei der Multiplikation auch rein mathematisch ist, kann schon ein einzelner Faktor das Gesamtergebnis vermiesen. Es gilt also die Balance zu finden zwischen der Zufriedenheit der Unternehmensinhaber, der Kunden, der Mitarbeiter und nicht zuletzt der Gesellschaft. Ist dieser Doppel-Spagat zu schaffen? Ich frage mich, wie diese vier Elemente zusammenhängen.

Die Zufriedenheit der Inhaber

In diesem Punkt scheint die Welt für VW in Ordnung. Lars’ Absatz endet mit dem Wort „wunderbar“. Tatsächlich, die Umsatzerlöse und auch das operative Ergebnis kennen gerade nur den Weg nach oben. Alleine die Dividenden bringen dem Inhaber einer Aktie ungefähr 2,35% Ertrag p. a.. Und auch der Kurs der Aktie klettert wieder.

Aber sieht es wirklich so wunderbar aus? Die Aktie ging Anfang dieser Woche zu Preisen um die 166 Euro über den Tresen. VW hat einen Gewinn pro Aktie von 22,65 Euro eingefahren. Nimmt man an, dass es dem Konzern in den nächsten 7 Jahren gelingt, dieses Ergebnis zu halten, hätte man den Einstandspreis des Anteilsscheins dann rechnerisch fast schon wieder raus.

Kleiner Ausflug nach Palo Alto. 2003 gegründet, machen die Umsatzerlöse von Tesla einen Bruchteil von denen der Wolfsburger aus. Von Gewinnen ganz zu schweigen. Vielleicht irgendwann einmal. Das operative Ergebnis liegt im negativen Bereich, das Unternemen verbrennt Geld. Trotzdem kostet der VW Konzern (84 Milliarden) gerade einmal doppelt so viel wie Tesla (40 Milliarden). An der Börse werden die Erwartungen an die zukünftige Rentabilität eines Unternehmens gehandelt.

Die Wirkung der Faktoren auf die Zufriedenheit der Inhaber

So ganz wunderbar läuft es also für die VW-Inhaber nicht. Das betrübte Bild in der Öffentlichkeit und bei einigen Kunden wirft seine Schatten auch auf die Unternehmensbewertung.

Ist der öffentliche Ruf eines Unternehmens noch gut zu erfassen, wird es bei dem Thema Kundenzufriedenheit schon schwieriger, wenn man wie ich selbst keinen Wagen des Konzerns fährt.

Bei der Mitarbeiterzufriedenheit wird es dann richtig eng. Wie wird das Potenzial dieses Faktors bewertet? Wie stark sind die Auswirkungen unzufriedener Mitarbeiter auf den wirtschaftlichen Erfolg? Wie zufrieden sind die Mitarbeiter unter den Arbeitsbedingungen bei Amazon, dem zweitteuersten Unternehmen weltweit?

Und trotzdem: Die Marktteilnehmer sind recht gut in der Einschätzung des zukünftigen Unternehmenserfolgs, denn davon hängt ihre Rendite ab.

Die spannendere Frage als die aktuelle Bewertung ist die nach der Entwicklung der Bewertungsfaktoren. Werden in Zukunft die Themen Mitarbeiterzufriedenheit (Arbeitsbedingungen, Fairness, …), Gesellschaft (Umweltschutz, Nachhaltigkeit, soziales Engagement, …) und Kundenzufriedenheit (mündiger Kunde, Kundenbeziehung, …) eine größere Rolle bei der Bewertung des Unternehmenserfolgs spielen? Was ist die Währung, und was sind die Auslöser dafür?

Oder werden Konzernchefs lediglich nach der monetären Rendite bemessen, in die ja auch die anderen Faktoren einzahlen?

Die Zufriedenheit der Mitarbeiter

Nehmen wir an, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Engagement für die Arbeit im Unternehmen korreliert. Das hat möglicherweise positive Auswirkungen auf die Produktivität. Also zahlt eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit direkt auch auf die Rentabilität und indirekt auf die Unternehmensbewertung ein.

Vielleicht entstehen so auch mehr Innovationen. Zufriedene Mitarbeiter setzen sich dafür ein, dass ihre Ideen im Sinne des Unternehmens umgesetzt werden oder arbeiten eifrig an der Umsetzung der Ideen anderer mit. Auch das zahlt auf die zukünftige Unternehmensbewertung ein. Und nicht zuletzt profitiert auch die Kundenbeziehung von zufriedenen Mitarbeitern.

Wer trägt die Verantwortung für die Zufriedenheit der Mitarbeiter? Ich würde spontan antworten: die Mitarbeiter selbst. Aber das Management spielt eine entscheidende Rolle, ob und in welchem Umfang die Mitarbeiter ihrer Verantwortung im Unternehmen nachkommen können. Und zwar durch das Setup der Rahmenbedingungen, durch die Gestaltung des Systems. Und hier kann man dem VW-Management sicher einiges vorwerfen. Schließlich führte das System zum Skandal.

Die Zufriedenheit der Kunden

Hier bin ich ins Stocken geraten. Klar, es liegt auf der Hand. Ein erfolgreiches Unternehmen muss auch zufriedene Kunden haben und zufriedene Kunden halten ein Unternehmen erfolgreich.

Wirklich?

Ich bin recht unzufrieden mit meinen beiden Telekommunikationsanbietern. Das sind ein regionales Unternehmen und Vodafone. Für beide zahle ich monatlich eine stattliche Summe und beide Unternehmen sind mehr oder weniger erfolgreich am Markt, Jahr für Jahr. Schon einmal jemanden erlebt, der sich nicht über seine TK-Anbieter auslässt? Es gibt sie also, erfolgreiche Unternehmen mit unzufriedenen Kunden. Zumindest in Oligopolen.

Grundsätzlich stimme ich der These ja aber natürlich zu. Zufriedene Kunden sind zahlungsbereit. Einprägsam sind die Kommentare in einem Tech-Forum, in das ich fast täglich reinlese. Dort heißt es, sobald Apple ein neues MacBook vorstellt, regelmäßig: „gekauft“, „meine Kreditkarte liegt bereit“, …

Wer trägt die Verantwortung für die Zufriedenheit der Kunden? Die Mitarbeiter des Unternehmens, die das Angebot schaffen? Also Produkte und Dienstleistungen entwickeln, produzieren und liefern – ja und den Support übernehmen.

Aber vielleicht auch die Politik! Die Wirtschaftspolitik, die die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schafft und dafür sorgen sollte, dass der beste Nutzen für alle entstehen kann.

Oder doch wieder das Management, in dessen Rahmenbedingungen Mitarbeiter eine Abgasmanipulation vertuschten, welche die Kunden nun auszubaden haben?

Die Zufriedenheit der Gesellschaft

Jetzt wird es abstrakt. Das schwierigste Pizzastück. Ganz konkret ist das für mich greifbar: Indem das VW-Management ein System fährt, in denen Abgasmanipulationen wahrscheinlich waren, belastet das Unternehmen die Gesellschaft. Nämlich neben den Kunden der Dieselfahrzeuge auch die Menschen, die von den Abgasen beeinträchtigt werden.

Auf der anderen Seite hat ein solches Dieselfahrzeug einen hohen Nutzen, z. B. für Berufspendler, die weite Strecken über Land zurücklegen und am Zielort dann Wert schaffen. Wie wirkt VW also auf die Zufriedenheit der Gesellschaft?

Und wer trägt die Verantwortung für die Zufriedenheit der Gesellschaft? Die Politik, die die Rahmenbedingungen schafft? Ja, und zum Teil auch steuert. Mit Steuern, Abgaben und Gebühren bis hin zu Grenzwerten für C02 und Stickstoffdioxid.

Die Unternehmen durch pure Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, „Gutunternehmertum“ sozusagen?

Oder jeder einzelne von uns? Durch Wahl, politisches Engagement und Konsumverhalten? Nicht jeder kann mit dem Rad zur Arbeit fahren, aber viele könnten es.

Nach dem Motto: Ich bin für ein Dieselverbot in Stuttgart, starte meinen Benziner und fahre fünf Kilometer in den Nachbarort zum Büro.

Zufriedenheit der Inhaber als Folge

Ich möchte eine zugegebenermaßen stark vereinfachende Ursache-Wirkungskette zur Diskussion stellen, wohlwissend, dass ich hier den hohen Grad der Komplexität ignoriere.

Wenn die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, also das System Wirtschaft, gut aufgebaut ist, können Unternehmen großen Nutzen für die Gesellschaft liefern.

Wenn Unternehmen in diesem Wirtschaftssystem gut geführt werden, können Mitarbeiter Ideen umsetzen und großen Wert schaffen, und sie können damit zufrieden sein.

Wenn Unternehmen Wert schaffen, sind ihre Kunden zufrieden. Zufriedene Kunden sind zahlungsbereit.

Das wirkt sich letztlich auf die Zufriedenheit der Inhaber aus, die von allen Faktoren profitieren: Von guten Rahmenbedingungen, zufriedenen Mitarbeitern und Kunden.

Als konkretes Beispiel möchte ich Apple unter Steve Jobs bemühen. Wenn das Umfeld passt (Silicon Valley), die DNA eines Unternehmens stimmt (Management und Führung) und Mitarbeiter innovative Produkte entwickeln, dann stellt sich der wirtschaftliche Erfolg als Folge ein. Jobs hat sich nicht um die Aktionäre gekümmert. Für ihn standen ganz andere Dinge im Vordergrund. Und trotzdem dürften die Inhaber heute ganz zufrieden sein.

Es bedarf also schließlich guter Rahmenbedingungen im System Wirtschaft und moderner Führung im Unternehmen, damit letztendlich die Quattro Stagioni allen mundet.


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